Schon mal «Ich liebe dich» gesagt?
Wow, was für ein Einstieg. Entschuldigung im Voraus, sollte ich jemandem gerade Herzrasen oder negative Flashbacks beschert haben. Es sind zwölf Buchstaben, die den meisten wohl schwerfallen. Aber so schwierig es ist, so schön und einfach ist es auch, eine Alternative zu finden – dank unserer Sprache und der Unendlichkeit an Worten, die es gibt. Und wo finden wir die besten (und auch mal die schlimmsten) Beispiele? Natürlich dort, wo grosse Liebe und Herzschmerz enger verbunden sind als Ronda und ihr Aperol Spritz im Sommer: in der Musik.
I just called to say I love… gut geschriebene Songtexte über Liebe
Und wie macht man nun die grosse Liebeserklärung, ohne plump, kitschig oder unglaubwürdig zu wirken? Mit gut gewählten Worten – wow, no Shit, Sherlock! Aber jetzt mal ernsthaft: Es braucht keine grosse Poesie, keine komplexen Metaphern und auch keinen plötzlichen, leicht erotischen Sprachwechsel ins Französische (dennoch Shoutout an Saint Levant – ich versteh zwar kaum etwas, aber irgendwie ist’s nice!). Nein, wir bleiben deutsch und deutlich. Denn selbst die unromantischste Sprache dieses Planeten – unser gutes altes Schweizerdeutsch – kann echt schöne Dinge sagen.
Mit Vokuhila und Berndeutsch direkt ins Herz
«Mis Duvet schmöckt nach der, aber du bisch nümme hie. I gloub es sett scho lang id Wösch, doch i brings ned über me. U mini Atze hei scho rächt, dass es mittlerwile stinkt. Aber i finges ned so schlimm, wöu es schmöckt no chli nach der.» Jule X & Edb – «Duvet» (2024)
Ähm … wäh, du Grusige??? Ich weiss ja nicht so recht, aber ist das die Liebeserklärung, die man sich wünscht? Auf den ersten Blick wohl eher nicht. Dennoch nutzen Jule X & Edb hier die simpelste Metapher, um «ich vermisse dich» zu sagen: das Bett. Weil – sind wir mal ehrlich – der Duft dieser einen Person? Wunderbar. Obwohl sich dieser wohl aus nicht ganz so sauberen Dingen zusammensetzt. Nochmals: Ähm wäh? Und genau das ist die Kunst: Selbst ein leicht schräges oder «grusiges» Bild funktioniert, weil wir das Bett automatisch mit Nähe, Intimität und Erinnerung verknüpfen. Und diese Verknüpfung nutzen die beiden Berner Künstler ziemlich gekonnt. Ein besserer Beweis dafür, wie tief dieser Ort in unseren Gefühlen verankert ist, lässt sich kaum finden. Und das sag selbst ich, als eindeutige Nicht-Romantikerin.

Ein Berg der Gefühle
«Wir haben beide jetzt ein grosses Bett, aber beide sind halb leer. Und allein ist mir die Riesendecke eigentlich viel zu schwer. Auch das zweite Kissen stört, weil nachts verwechsle ich's mit dir. Seit ich deinen Atem nachts nicht hör', ist auch Berlin zu still bei mir. Ist es auch so still bei dir?» Berq – «Still» (2024)
Wir bleiben im Bett – aber jetzt irgendwie ohne die rosa Brille. Und irgendwie dramatisch. Und irgendwie auch ziemlich ungemütlich. Berq, der 24-jährige Sänger aus Hamburg, nutzt Dinge wie Kissen und Decken, die eigentlich Gemütlichkeit und Wohlsein verkörpern, und wendet sie in Unbehaglichkeit und Bedrücktheit. Und sind wir mal ehrlich: Gibt’s was Schlimmeres, als sich nachts im Bett zu wälzen und einfach nicht die richtige Position zu finden? Ja, gibt’s. So einiges. Aber in der Welt von melancholischen Liedern über gebrochene Herzen ist das der Olymp des Worst Case, das Epizentrum des Schmerzes. Kann man den Künstlerinnen und Künstlern halt nicht übelnehmen.

Verliebt und verloren im Kissenbezug
«Ich sitze zuhaus und frag mich, wo du heute pennst. Mische Benzin in meine Coke und hoff, dass es brennt. Was immer du suchst, könnt ich sein. Doch du fliegst, ohne herzusehen, vorbei. Ich wünscht, du wärst schwach, damit ich dich halten kann.» Schmyt – «Ich wünschte, du wärst verloren» (2021)
Aha, Perspektivenwechsel! Es gibt also noch mehr Varianten für das Bett, um einen Platz in der Musik zu finden. Mit Schmyt sitzen wir gedanklich im Bett der Person, die uns den Liebeskummer beschert – bei wem auch immer das sein mag. Er baut eine gewisse Distanz auf, sieht die andere Person förmlich vor sich, in seinen Gedanken. Wie sie weiterlebt, ohne ihn. Ihn nicht sieht. Ist nun also immer noch das leere Bett der herzzerreissende Teil? Nö. Und hier wird’s spannend: Während Jule X, Edb und Berq mit Kissen, Decken oder Düften arbeiten, haut Schmyt mit harten Bildern rein – Benzin, Feuer, Absturz. Nichts Kuscheliges, nichts Weiches. Seine Sprache ist direkt, roh, fast brutal. Wo andere Metaphern den Schmerz verpacken, legt Schmyt ihn unverblümt auf den Tisch. Und genau das macht seine Texte aus.

Love is in the… Tastatur meines MacBook Pros
Ach, wie wunderbar das war: drei Songs, drei Betten, drei schwerstverliebte, vermissende Männer. Und jetzt kommt’s: drei ganz unterschiedliche Ausgangslagen, Geschichten, Gefühle. Aber das können nur Buchstaben. Wie schön es ist – nein, wie viel Spass es macht, mit Inhalten zu spielen. Ihnen eine Backstory zu geben, versteckt oder offensichtlich. Und dann noch damit bei den Lesenden (oder im Falle von Liedern Hörenden) Emotionen auszulösen. Die Freiheit zu schenken, Dinge hinein zu interpretieren. Erinnerungen zu wecken. Wunden zu heilen.
Und wisst ihr was? Das mache ich jeden Tag. Zwar nicht so heftig auf der Gefühlsebene (ausser natürlich, es sei gewünscht), dafür über die unterschiedlichsten Themen – und manchmal auch vom Bett aus. Wir verkaufen mit Worten Dienstleistungen, Produkte, Orte oder Informationen. Und jedes Mal überlegen wir uns eine Geschichte dazu. Eine Erinnerung, die ausgelöst werden kann. Ein Gefühl, das wir alle kennen. Es ist fast wie ein Spiel, das mit jedem Briefing von vorne beginnt. Kein einfaches Spiel, aber eines, das Spass macht, erfüllt und beflügelt. Und mit der Zeit auch einfacher wird. Genauso wie das Gefühl, wenn sich das eigene Bett plötzlich leer anfühlt.
Versteht ihr nun, warum ich Texterin geworden bin?
Wie steht’s mit Musik während der Arbeit aus? Konzentrationsbooster oder doch eher Ablenkungsmanöver?
 
                                            