Kreative Erste Hilfe oder Genialität auf Knopfdruck?
Gar nicht so einfach. Vor allem spätnachmittags, wenn das Briefing kompliziert ist, die Deadline in grossen Schritten näher rückt und der Fokus in die gedankliche Sackgasse abbiegt. Jener Ort, wo Wörter wie «zielgruppenorientiert» und «innovativ» wohnen. Aber keine Sorge, hier kommt die Rettung: Unser Text-Team zeigt dir vier Inspirationstechniken, die helfen, wenn nichts mehr geht.1. Inside Out:
Erst fühlen, dann schreiben
Oft starten wir bei Informationen, Features und Botschaften aus dem Briefing. Daraus resultieren Texte, die zwar korrekt sind, aber emotional nicht berühren. Inside Out dreht die Reihenfolge um: erst Emotion, dann Produkt.
So geht's
1. Ziehe eine Emotion (Traurig, wütend, FOMO, gereizt...).
2. Schreibe 3-5 Sätze nur über dieses Gefühl – ohne Produkt.
3. Lass das Produkt als Lösung erscheinen, die das Gefühl befriedigt oder auflöst.
Beispiel: Internetanbieter mit der Emotion «Gereiztheit»
Endresultat
Schon wieder dreht sich das Rädchen. Deine Lieblingsserie stockt mitten im besten Moment. Der Videocall mit deinem Chef? Verpixelt und abgehackt. Du atmest tief durch. Versuchst ruhig zu bleiben. Aber der Puls an deiner Schläfe? Der lügt nicht. Wie viel Geduld hast du noch? Mit dem schnellsten Internet läuft es endlich. Ohne Ruckeln. Ohne Nerven.
Erkenntnisse
Und plötzlich zählst du keine Produktinfos mehr auf, sondern beschreibst Momente, in denen sich echte Menschen wiedererkennen. Dieses Identifikationspotenzial wiederum fördert nicht nur das Interesse, sondern begünstigt auch Imagegewinne und eine gewisse Relevanz.
2. Sound Switch
Heavy Metal trifft auf Schlager
Wir nutzen gerne immer wieder den gleichen Ton – höflich, sicher und austauschbar. Darum spielen wir stattdessen mit extremen Tonalitäten und verwandeln Fahrstuhlmusik in überwältigende Balladen, slanggeprägte Rapsongs oder laute Rockopern.
So geht's
1. Nimm deinen Basistext.
2. Wähle zufällig ein Musik-Genre (Hip Hop, Schlager, Jazz, Heavy Metal).
3. Schreibe den Text komplett in diesem Stil um.
4. Analysiere: Was ist überraschend? Was funktioniert? Was kann ich übernehmen?
Beispiel: Verlängerung eines Handy-Abos
Original
Ihr Abo läuft bald aus. Verlängern Sie jetzt und profitieren Sie weiterhin von vielen Vorteilen.
Heavy Metal
DEIN ABO STIRBT! VERLÄNGERE JETZT ODER DU VERSINKST IM FUNKLOCH DER VERDAMMNIS!
Jazz
Ihr Abo neigt sich dem Ende zu. Wie eine letzte Note, die sanft verklingt. Aber warum aufhören, wenn die Melodie so schön ist?
Hip-Hop
Realtalk, check dein Abo. Geht ganz quick: Jetzt verlängern und connected bleiben. Sonst bist du offline like '93.
Schlager
Die Zeit vergeht wie im Flug und bald ist’s vorbei mit uns zwein. Aber hey: jetzt verlängern und wir bleiben für immer vereint!
Erkenntnisse
Klar, keiner dieser Texte geht genau so raus. Aber sie zeigen Möglichkeiten auf. Vielleicht ist die Jazz-Version zu sanft, aber die Metapher funktioniert. Der Englisch-Anteil des Rapsongs ist zu hoch, aber «quick» und «connected» bringen es auf den Punkt. Je mehr Töne du beherrschst, desto präziser triffst du den gewünschten.
3. Flip & Find
Verkehrte Welt
Die dritte Falle: Wir denken automatisch in der klassischen Problem-Lösung-Logik. Das ist bequem, überrascht aber selten. Darum drehen wir die Frage um. «Wie machen wir es besser?» wird zu «Wie machen wir es garantiert schlechter?».
So geht's
1. Fasse deine Kernbotschaft kurz zusammen.
2. Drehe ALLES um: Ist es positiv? Mach's negativ. Ist es einfach? Mach's kompliziert. Auch gern übertreiben.
3. Nutze den Umkehrtext als Sprungbrett: Welche Elemente kann ich als echte Message übernehmen? Welche Wahrheit steckt drin?
Beispiel: Kreditkarte
Original
Mit deiner Kreditkarte reist du sorgenfrei. Bezahlen, Versicherung und vieles mehr – alles easy.
Umgedreht
Mit deiner Kreditkarte wird das Reisen kompliziert! Du musst dich um alles kümmern: PIN merken. Limits checken. Abrechnungen kontrollieren. Hotline anrufen. Es ist stressig, nervig und genau das, was du im Urlaub nicht willst.
Schlussfolgerungen
• Menschen haben Angst vor Komplexität beim Reisen
• Die Wahrheit: Reisen ist oft stressig und man muss an viele Dinge denken
• Das Versprechen «sorgenfrei» muss konkret werden
Endresultat
Reisen ist schon kompliziert genug. PINs, die man sich merken muss. Limits, die man erreicht. Abrechnungen, die man checken muss. Und wenn's mal brennt: Warteschleife. Genau das nimmt dir deine Kreditkarte ab. So denkst du unterwegs nicht an Formalitäten, sondern an Ferien.
Erkenntnisse
Provokation ist ein Türöffner. Nicht fürs Endprodukt, aber für den Prozess. Sie bringt echte Pain Points zum Vorschein und Argumente, die zuvor gar kein Thema waren.
4. Spiel Juhu
Zum Schluss gehen wir dahin, wo die besten Stories entstehen – ins echte Leben. Die Realität liefert oft den stärksten Stoff für Dialogmarketing. Man muss ihn nur richtig übersetzen.
So geht's
1. Alle schreiben auf je ein Post-it:
- Einen Moment, in dem sie etwas zum ersten Mal gemacht haben.
- Einen Moment, in dem sie richtig stolz auf sich waren.
2. Jetzt werden der Reihe nach ein Zettelchen gezogen.
3. Zu jedem Zettelchen gibt es ein zweites mit einem Absender wie z.B. einer Marke.
4. Nun übersetzen wir die Message in einen Dialogmarketing-Ansatz des Absenders.
Der Trick
Wir erzählen die Anekdote nicht einfach nach. Wir fragen ganz genau: Welche Emotionen stecken drin? Welche Konflikte? Welche Bedürfnisse? Erst dann übersetzen wir sie gezielt in eine Botschaft.
Beispiel 1
Situation
Alleine nach Paris fahren als Zehnjährige.
Kundschaft
Foodkette
Entwurf
Der grosse Tag steht bevor, Koffer sind gepackt, Nervosität da, das Heimweh klopft bereits an der Tür. Gut, lässt sich das noch etwas beruhigen. Besser gesagt: sättigen. Denn egal, von wo aus dein Weg in die grosse weite Welt startet, unser Food startet mit dir deine Reise voller Geschmack.
Beispiel 2
Situation
Stolz darauf sein, ein «Nein» durchgezogen zu haben.
Kundschaft
Spirituosenhersteller
Text
Wer sich mit Mittelmass aufhält, wird den Gipfel des höchsten Genusses nie erklimmen. Denken Sie dabei auch an Ihre Leber und sagen Sie nein zu billigem Fusel. Kaufen Sie Ihren Wein bei uns.
Beispiel 3
Situation
Meinen ersten Arbeitsvertrag unterzeichnen.
Kundschaft
Zoo
Text
Das erste Mal einen Arbeitsvertrag unterzeichnet – wow, das ist ein wahres Commitment! Ängste treten auf: Habe ich mich wirklich für die richtige Position entschieden? (...) Und genau das ist auch ein Besuch im Zoo. Ein Moment der Freude. Und das Beste? Kein Commitment. Gefällt es dir nicht, dann kannst du ganz einfach wieder gehen.
Erkentnisse
Siehst du, was passiert ist? Aus einer Kindheitsgeschichte wurde ein Text übers die erste Soloreise inklusive Aufregung und Nervosität. Und der Wein? Ist die verlässliche Lösung gegen Mittelmass.
Was bleibt?
Vier Techniken, ein Ziel: Aus dem leeren Blatt wird ein Text, der nicht nur funktioniert, sondern vor allem berührt. Die wichtigsten Erkenntnisse nach all unseren Experimenten?
- Emotion ist wichtiger als Info
- Wahrheit ist wichtiger als Schönfärberei
- Menschen sind wichtiger als Produkte

