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 Bühler & Bühler schreibt das Drehbuch des neuen Bond.
 
Stories 29, 22.06.2023
Inspiration

Bühler & Bühler schreibt das Drehbuch des neuen Bond.

5 kreative Köpfe, 30 Minuten Zeit, 1 überraschendes Thema. Bei unserem monatlichen Textworkshop schrieben wir mit verteilten Rollen das Exposé des nächsten James Bond Films. Im Mittelpunkt der Kreativübung: ein geheimnisvoller Duft mit übersinnlichen Fähigkeiten.

Die Zutaten eines jeden klassischen Bond werden an die teilnehmenden Schreiberlinge verteilt wie die Spielkarten in «Casino Royale». Der unbarmherzige Countdown startet – los geht’s im actiongeladenen Textspurt gegen die Zeit. Ohne Austausch und zu wissen, was die anderen in die Tastatur tippen. Das Resultat? Eine dufte Story. Lest selbst:

Kapitel 1: Der Titelsong

Die ersten Akkorde von «Smells Like Teen Spirit» ertönen. Aber nicht das Original von Nirvana, sondern eine Coverfassung von PJ Harvey und Thom Yorke mit experimenteller Instrumentalisierung. Statt ächzender Gitarren sind zarte Violinenklänge und zurückhaltende Ambient-Impulse zu hören, bis der Refrain mit einem donnernden Crescendo heranrollt. Das Video zeigt Bond, angespannt mit gezückter Walter PPK zwischen riesigen Parfum-Flacons Deckung suchend. Diese wechseln im Rhythmus der Musik die Farbe und im 4D-Kino gibt’s fürs Publikum dazu unbewusst eine erste Riechprobe des ultimativ-betörenden Unisex-Parfums…

Kapitel 2: Das ist Bond

Jacobina Bond ist die neue 007. Schon als Kind in der Provence hat sie die Geheimnisse von Düften wie Jasmin, Laudanum, bulgarischer Rose und Oud kennengelernt. Ihre Eltern besassen einen üppigen Garten, in dem Hunderte von Kräutern, Blumen und exotische Pflanzen wuchsen. Bei der Suche nach der Formel für den ultimativen Duft sind beide vor Jahren im Regenwald von Madagaskar verschollen – vermutlich gekidnappt vom skrupellosen Earl Grey. Jacobina hat einen Doktor in Chemie und wurde auch deswegen vom britischen MI5 für diese besondere Mission rekrutiert. Was niemand weiss: Sie hat bei einem Laborunfall vor Jahren ihren Geruchssinn verloren. Erst seit sie den mysteriösen N kennengelernt hat, der mit perfektem Gespür jeden noch so komplexen Duft beschreiben und ihr über eine implantierte Mikrosonde übermitteln kann, nimmt Jacobina Bond an dieser für sie verlorengegangenen Welt wieder teil. Auch weil sie hofft, ihre Eltern doch noch lebend wiederzufinden.

Kapitel 3: Bonds Widersacher

Die Welt der Düfte wird auf den Kopf gestellt. Jeremy Fragrance, Duft-Influencer, erfährt auf einer Parfumkonferenz von einem neuen, geheimnisvoll orientalischen Duft. Dieser soll in der Lage sein, das Bewusstsein von Menschen zu verändern. Jeremy hat die Nase voll von den Aldi-Kooperationen und will das Parfum finden. So macht sich der Duft-Detektiv auf die Suche. Immer der Nase nach. Dank seinem guten Riecher und seiner Manipulationsstärke gelingt es ihm immer wieder, Bond auf der Nase herumzutanzen. Seine Geheimwaffe: besonders hässliche Parfums in der Luft zu verbreiten, um die Gegnerschaft zu vertreiben.

Kapitel 4: Q präsentiert die neuen Gadgets

«Bond, ich habe hier etwas für Ihre neueste Mission auf der Suche nach dem geheimen orientalischen Duft: Black Dopium: Dieser Flacon aus Panzerglas enthält eine explosive Mischung mit geheimem Doppelboden. Einmal den Sprühknopf drücken und die betörende Herznote aus Vergissmeinnicht-Essenz versetzt sämtliche Anwesenden im Radius von 30 Metern in einen Tiefschlaf. Natürlich ausser Sie, Bond. Wir haben die DNA Ihrer Riechzellen hinzugefügt und somit Ihr Sensorium immunisiert. Zweimal den Sprühknopf drücken und ein opulentes Wachholder-Extrakt holt alle wieder aus dem Tiefschlaf. Und das neue Bondmobil: Shalimar – oder eigentlich Eau de Aladdin. Oder auch fliegender Teppich, der nach Tod riecht. Hinten mit goldenen Maxi-Auspuff-Dispensern voller Weihrauch, der die Verfolger ins Abseits verduften lässt. Innen ausgestattet mit mohnfarbenen Polstern und dem sinnlichen Schweiss von 20 Bauchtänzerinnen – dem Elixir, das Sie zu Höchstfahrleistungen anspornen wird. Der Motor: animalisch-intensiv mit 500 Pferdestärken, geschmiedet aus Bernstein und Sandelholz-Extrakt.»

Kapitel 5: Die Eröffnungsszene 

Es ist der 11. November. 11:11 Uhr. An manchen Orten beginnt gerade die Karneval-Saison. Auf Spitzbergen ist es einfach nur ein normaler Tag. Es herrscht Dunkelheit. Polarnacht. Mitten im Schnee Bond. Hoffentlich hat Q irgendwo eine Taschenlampe installiert. Ein normaler Tag? Nicht für Bond. Bond ist auf der Suche nach dem grössten Schatz, welcher der Menschheit je bekannt, oder eben auch nicht bekannt war. Die kühle Winterluft ist so rein wie an keinem anderen Ort. Ein orientalischer, warmer Duft müsste da eigentlich auffallen. Tut er aber nicht. Die Luft ist so eisig, gefühlt schneidet sie schon fast die Atemwege ein. Der einzige Hinweis, den Bond in den Händen hält, ist eine Kaffeetasse mit Katzenmotiv. Was auch immer das bedeuten soll. Doch Bond ist nicht umsonst Bond – ein Plan steht bereits fest. Eine Kaffeetasse müsste schon fast bedeuten, dass der Schlüssel zum Ziel mit Kaffee zu tun hat. Was so banal tönt, ist gleichzeitig ein schlauer Schachzug. Kaffee soll ja bekanntlich die Geruchspalette reinigen. Spuren verwischen. Jeremy Fragrance verwirren – eventuell auch Bond selbst. Gehört ja vielleicht selbst zum Plan. Kann sein. Wer weiss. Selbst etwas verwirrt von den eigenen Gedanken, aber den Plan so glasklar wie die Eisplatten rund um den Eingang, schreitet Bond in Richtung Tür. Die Tür zur grössten Kaffeemanufaktur weit und breit.

Epilog 

Es beginnt mit einer Idee aus zwei, vielleicht drei erklärenden Sätzen. Eine halbe Stunde später ist sie durch das Verknüpfen der individuellen Ideen lebendig geworden: Mit Figuren, Klängen und Gerüchen, die wir beinahe spüren können. Einer Geschichte, der wir weiter folgen möchten, um zu schauen, wohin sie uns entführt. Ursprünglich als kreative Fingerübung gestartet, hat uns das kleine Text-Experiment die zuverlässige Quelle unserer Arbeit vor Augen geführt: die Freude am Geschichtenerzählen vervielfacht durch Teamwork.